Das italienische Pendant zu „Mönchengladbach bei eBay“ wurde im Oktober 2015 in einer Kooperation zwischen eBay und dem italienischen Handels- und Dienstleistungsverband Confcommercio ins Leben gerufen. Im April 2016 trat man mit ersten Händlerprofilen auf einer eigens eingerichteten Landing Page an die Öffentlichkeit. Die Zahl der vertretenen Händler aus der Hauptstadt der italienischen Region Abruzzen beträgt Ende September des gleichen Jahres 26.

Zum Hintergrund der Initiative

eBay und Confcommercio begründen die Wahl L’Aquilas mit dem enormen Umsatzwachstum von Händlern aus der Provinzhauptstadt und Umgebung in den Jahren 2010 bis 2015. So seien die Online-Umsätze im Vergleich zu den fünf vorhergehenden Jahren um 435 Prozent gestiegen. Von 2014 auf 2015 sei der Umsatz laut eBay gar um 464 Prozent explodiert.

Auch in Italien grassiert angesichts des Strukturwandels ein Einzelhandelssterben insbesondere kleiner Läden und mittelständischer Betriebe. Zudem wütete 2009 in L’Aquila ein verheerendes Erdbeben, das vielen Gewerbetreibenden die Existenzgrundlage entzog. Läger und Geschäfte wurden beschädigt oder zerstört. Claudio Raimondi, General Manager bei eBay Italien, stellt einen Zusammenhang zwischen Erdbeben und Online-Wachstum her und bezieht sich in Stellungnahmen ausdrücklich auf das deutsche Pilotprojekt „Mönchengladbach bei eBay“ als Vorbild. Klar ist, eBay möchte mit der ersten Initiative dieser Art jenseits der Alpen den Marktplatz auch für den inhabergeführten italienischen Handel bewerben. Auch im emotionalisierenden Promovideo geriert sich eBay als Retter in ökonomisch schwierigen Zeiten nach dem Erdbeben.

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Bewertung durch localcommerce.info

Da eBay Italien nur die Gesamtzahl der verfügbaren Artikel inkl. Stückzahl und Varianten angibt, ist eine Angabe der lokal verfügbaren eindeutigen Produkte nur näherungsweise möglich. Mit rund 6.630 verfügbaren Produkten von über die Landing Page verlinkten Händlern aus L’Aquila und einer 12-monatigen Projektlaufzeit fällt das Ergebnis der Initiative ernüchternd aus: Augenscheinlich sind von 26 Händlern nur vier mit Warenwirtschaft und mehr als 500 Produkten im Online-Sortiment angebunden, wobei alleine 2.300 Produkte einem einzigen Händler zuzuordnen sind. Dieser war darüber hinaus schon vor Beginn der Initiative eBay-Händer.

Medienberichten zufolge sollten bis zu 32 Händler über die Landing Page verlinkt werden. Von 26 Händlerprofilen sind Ende September 2016 sogar vier ohne Produkte vertreten. Ein Händlerprofil geht zudem ins Leere. Gut die Hälfte aller Händler bietet lediglich unter 50 Produkte im eigenen eBay-Shop an. Dies betrifft vor allem die Neueinsteiger, die seit Februar/März 2016 einen eBay-Shop betreiben.

Die in weiten Teilen schlechte Qualität der Produktbilder lässt keinen Rückschluss auf eine konzertierte Aktion – etwa durch das Angebot professioneller Produktfotografie – zu. Die Portraitbilder der Händler auf der Landing Page wiederum sind analog zum Mönchengladbacher Modell aus einem Guss und sehr ansprechend. Dies gilt allerdings nicht für das eigentliche Shopprofil des Händlers (Beispiel), das in gewohnter eBay-Manier relativ anonym, wenig übersichtlich sowie ohne lokale Verankerung etwa über eine Map daher kommt.

Generell gilt, dass die über die Landing Page verlinkte lokale Produktsuche (Welche Produkte sind lokal verfügbar?) für alle eBay-Händler mit Adresse in L’Aquila und Region gilt, also offensichtlich auch für nicht an der Initiative beteiligte Händler. Denn hier werden weit über 100.000 Produkte angezeigt, darunter auch von Händlern, die nicht über die Landing Page verlinkt sind.

Zum Teil werden Produkte auch nur innerhalb Italiens versendet. Auf den Händlerprofilen werden zudem nur im Liefergebiet (etwa Italien) verfügbare Produkte angezeigt. Inwieweit Click & Collect als Lieferoption eingesetzt wird, ist nicht ersichtlich.

Eine ungefähre Angabe der tatsächlichen Bestellungen bei am Projekt beteiligten Händlern lässt sich nur über die abgegebenen Verkäufer-Bewertungen der letzten 12 Monate errechnen. Laut Berechnungen von localcommerce.info wurden von Oktober 2015 bis September 2016 1.128 Bestellungen generiert. Dabei entfiel ein Großteil (77 %) der Bestellungen auf sechs Anbieter. Durchschnittlich sind es also 43 Bestellungen pro Händler in 12 Monaten. Schließt man Händler mit mehr als 500 verfügbaren Produkten aus, ergibt sich ein Durchschnittswert von 17 Bestellungen bei 22 Händlern.

Fazit

„eBay adotta L’Aquila“ hätte mit den Erkenntnissen des Mönchengladbacher Modells durchaus bessere Ergebnisse erzielen können. Auch in Italien scheint vor allem die Händlerakquise der Knackpunkt zu sein. Allein mit ermäßigten eBay-Shop-Gebühren und einer nur auf eBay zugeschnittenen Händlerschulung ist es nicht getan. Digitale Transformation und Hilfe zur Selbsthilfe sieht anders aus. 26 Händlerprofile sind für die 70.000 Einwohner zählende Stadt in den Abruzzen zu wenig. Im Endeffekt dürften von der eBay-Confcommercio-Initiative vor allem jene profitieren, die bereits seit längerem auf eBay verkaufen und mit der Landing Page eine erhöhte Sichtbarkeit über die Verlinkung in die Produktwelt erhalten. RoPo-Effekte spielen hier analog zu den Ergebnissen in Mönchengladbach nur eine untergeordnete Rolle. Eine Initialzündung für den gesamtitalienischen inhabergeführten Einzelhandel scheint das Projekt ebenfalls nicht gewesen zu sein – anders als in Deutschland, wo insbesondere die „Online City Wuppertal“ und „Mönchengladbach bei eBay“ ein enormes, lang anhaltendes Presseecho erzeugten und die Sensibilität für den digitalen Aufbruch in Städten und Werbegemeinschaften schärften.