Die DHL Paket GmbH, die als Logistikpartner von atalanda bereits in der „Online City Wuppertal“ die Lieferung am selben Tag abwickelt, war seit November 2017 mit einer eigenen Local-Commerce-Initiative am Start. Die lokale Shopping-Plattform in Bonn firmierte unter dem Namen „AllyouneedCity“. Sie war als Testballon für weitere Städte gedacht, machte die Pforten nun aber wieder Ende 2018 dicht. Nicht, weil Bonn kein gutes Pflaster für Local-Commerce-Konzepte wäre, sondern weil die DHL den operativen Betrieb der Marktplatz-Mutter Allyouneed einstellt.

Mit der lokalen Allyouneed-Marktplatzvariante bekamen auch jene Händler Online-Sichtbarkeit, die sich nur mit einem Schaufensterprofil präsentieren möchten bzw. können, also nicht den gewöhnlichen Online-Check-out nutzen. Die DHL sagte den rund 2.000 Bonner Händlern jedoch Unterstützung sowohl bei der Digitalisierung des Angebots als auch bei der Vermarktung und Versandvorbereitung zu (siehe Pressemitteilung vom 13. Juli 2017).

Zum Start der rein technisch soliden Plattform spiegelte sich dieses Engagement jedoch noch nicht in der Qualität der einzelnen Händlerprofile wider. Die wenigsten der 55 Martplatzteilnehmer, darunter 15 Prozent Dienstleister, waren tatsächlich mit konkreten Produktdaten vertreten. Mittlerweile sind es 112 teilnehmende Geschäfte, wovon aber nur 20 (sic!) mit tatsächlichen Produkten online gegangen sind (Stand: August 2018).

Die Qualität der allermeisten Bilder von Geschäften lässt zu wünschen übrig. Und man spürt, dass es nicht einfach damit getan ist, einen national/international ausgerichteten Online-Marktplatz wie Allyouneed.com, d. h. einen bereits etablierten Multi-Vendor Online-Shop, über eine Stadt zu stülpen. Hier wären definitiv noch Anpassungen in Bezug auf die Frontend-Kommunikation und Nutzerführung nötig gewesen, um gezielter lokale Kunden anzusprechen.

Softlaunch-Phase gestattet – „Click & Collect“ ausgeblendet

Die logistischen Trümpfe Wunschlieferung, Sofortlieferung (innerhalb von 120 Minuten nach Bestellung) oder Lieferung am selben Tag hätte der Infrastrukturgeber aus dem Paketgeschäft besser ausspielen können, wenn die Sortimentsbreite durch den Anschluss möglichst vieler Warenwirtschaftssysteme der Händler rasch erhöht worden wäre. Dass auch eine DHL Zeit braucht, um die Boarding-Prozesse, den Umgang mit digital relativ unerfahrenen stationären Einzelhändlern und die Qualität des Gesamtauftritts zu optimieren, steht außer Frage. Eine Softlaunch-Phase sollte man also auch einem Konzern zugestehen, der seine Fühler in Richtung Local Commerce ausstreckt. Mit dem nun bekannt gegebenen Rückzieher aus dem Marktplatz-Geschäft, wird jedoch nur noch wenig Energie auf das Bonner Local-Commerce-Experiment verschwendet werden.

Dass man selbst „Click & Collect“ in der Frontend-Kommunikation ausblendet (offensichtlich wird der Hinweis zur Selbstabholung erst im Check-out gegeben) und die Händler mit Standard-Lieferkosten von acht Euro ins Rennen um Online-Kunden schickt, ist aus fachlicher Perspektive suboptimal und wohl dem strategischen Ansatz des Logistikers geschuldet, der letztlich mit seiner Plattform und dem darüber generierten Versand- bzw. Kuriergeschäft aus guten Gründen Geld verdienen möchte. Händler können zwar selbst ihre Lieferkosten subventionieren, tun sich hierbei aber – das zeigen auch die Erfahrungen aus der „Online City Wuppertal“ – meist schwer.

Kinderkrankheiten oder Strategie?

Etwas irritierend ist auch die nicht gegebene Möglichkeit, händlerübergreifende Warenkörbe zusammenzustellen. Gerade hier hätte man mehr konzeptionelle Reife erwartet, schließlich ist die Konsolidierung von Warenströmen ein Logistiker-Steckenpferd. Ebenso unglücklich sind noch zahlreiche tote Links oder unvollständige Informationen zum gesamten Marktplatz. Das dürfte einer erfahrenen E-Commerce-Plattform eigentlich nicht passieren.

Offensichtlich hat man bei der DHL erst einmal Wert auf die „weichen“ Kommunikationsthemen gelegt. Prominent wird die ökosoziale Karte gespielt: „Lokal und nachhaltig“ heißt es auf der Seite und man meint damit nicht zuletzt die Unterstützung von innerstädtischen Fachgeschäften. Auch der CO2-Footprint wird ins Spiel gebracht: „Weniger Verpackung. Kurze Wege.“ Denn in Bonn und den definierten Postleitzahlgebieten werden die Bestellungen per (taggleicher) Lieferung in der Tüte zum Kunden gebracht – auch das ein Verfahren, das schon in der „Online City Wuppertal“ erprobt wurde. DHL-StreetScooter und innerstädtische E-Mobilität wiederum finden keine Erwähnung – auch nicht in der amtlichen Pressemitteilung zum Start des Online-Marktplatzes vom 27. November 2017. Da schon die nachhaltige City-Logistik im Local-Commerce-Projekt kommuniziert wird, hätte man auch eine konzeptionelle Lösung zum CO2-freien innerstädtischen Lieferverkehr erwarten dürfen.

Das City-Marketing Bonn und der Einzelhandelsverband Bonn Rhein-Sieg Euskirchen sind Partner der Initiative, die am Heimatstandort der DHL mutmaßlich als Test für einen nationalen Roll-out gedacht war. Nun müssen diese Partner den Bonner Händlern erklären, dass ein „starker Partner“ wie DHL doch nicht immer die beste Wahl bei der Suche nach Infrastrukturgebern im Local Commerce ist.

Moderation und Change Management unterschätzt?

Klar ist: Der deutsche Logistikkonzern wollte das eigene (nationale) Feld offensichtlich nicht „eBay City“ und anderen Infrastrukturgebern des Local Commerce überlassen – und das ist gut so. Er beschritt hierbei sogar den moderationsintensiven Weg der Kooperation mit lokalen Verbandsakteuren und dem City-Management. Auch das ist aller Ehren wert. Von den in der Pressemitteilung formulierten 2.000 Bonner Einzelhändlern hat man sich als Zielmarke aber sicherlich bald verabschiedet. Denn Local Commerce ist nicht nur eine Paketlösung oder ein Multi-Vendor Online-Shop, sondern ein mitunter aufreibender Prozess des Veränderungsmanagements. Den machen selbstredend nicht alle Geschäfte einer Stadt mit – selbst dann nicht, wenn darüber DHL steht.